Transit durch den Osten
Die Geisterstrecken unter Ostberlin


Transitstrecken der U-Bahn vor 1961
Transitstrecken nach 1961
Bahnhof Friedrichstraße
Betriebsalltag
Die Transitstrecken in Stadtplänen
Die Flucht
Devisenbringer U-Bahn
Die Transitstrecken nach November 1989
Planungen


BILD-BERLIN meldet am 4. Dezember 1982:

Mitten im dicksten Berufsverkehr
Osten sperrt U-Bahn!
20000 kamen zu spät nach Hause

Berlin, 4. Dezember
Eineinhalb Stunden fuhr gestern nachmittag im dicksten  Feierabend-Verkehr keine U-Bahn durch den Osten. Die wichtigste Nord-Süd-Verbindung der Linie 6 (Tegel nach Mariendorf) war zwischen Reinickendorfer Straße und Kochstraße von der "DDR" gesperrt worden - ohne nähere Begründung. Mehr als 20.000 Berliner wollten zwischen 16.30 und 18 Uhr auf dieser Strecke nach Hause fahren, kamen durch die Sperrung zu spät. 

U-Bahn stand: Schiene gebrochen?
Auf den Bahnhöfen Reinickendorfer Straße (Wedding) und Kochstraße (Kreuzberg) drängten sich die Fahrgäste. Viele schimpften laut - es gab keine Ersatzbusse.
Die BVG: "Die Busse hätten den Ostsektor weitab von der U-Bahnlinie in einem Riesenbogen umfahren müssen." Einzige Rettung für Viele waren die Taxis. "Auf der Linie 6 muß der Verkehr von 16.30 bis 17 Uhr eingestellt werden.", hatte die Ost-BVG der West-Berliner U-Bahn-Leitstelle kurz nach vier telefonisch mitgeteilt. Aber dann dauerte es eine ganze Stunde länger. U-Bahn-Chef Diplom-Ingenieur Erich Kratky von der BVG sagte BILD-Berlin: "Wir können nur vermuten, daß drüben eine Schiene gebrochen war. Am Ostberliner Stadion der Weltjugend stand nämlich später an der Strecke ein Schweißgerät." (Die BVG ist für die östlichen Gleise nicht zuständig.) 

Auch auf der Linie 8 zwischen Leinestraße (Neukölln) und Osloer Straße (Wedding) gab es gestern nachmittag im Berufsverkehr eine Unterbrechung von einer halben Stunde (2000 Leute kamen zu spät). Auf dem Bahnhof Gesundbrunnen hatte sich der 25-jährige Bernd K. vor einen einfahrenden Zug geworfen, kam aber mit Prellungen davon.

 


Ein faszinierendes und völlig absurdes Kapitel Berliner U-Bahngeschichte waren die Transitstrecken der Westberliner U-Bahn durch den Osten der Stadt. Zwei U-Bahnlinien, die U6 und U8, führten ohne Halt in den "Geisterbahnhöfen" durch den Osten Berlins. Im Volksmund waren das die so genannten "Geisterstrecken". Nebenbei bemerkt gab es außerdem noch zwei S-Bahnstrecken (Nordsüdbahn und Stadtbahn), die den Osten Berlins unterquerten oder in diesen einfuhren. 


Die Transitstrecken in einem FALK-PLAN von 1962:
Die rosa gefärbten Flächen gehören zu den Westsektoren, die grauen hingegen zum Ostsektor, die Sektorengrenze ist violett dargestellt.
Unter der Chaussee- und Friedrichstraße verlaufend ist die Transit-U-Bahn der Linie C, später Linie 6, und unter dem Straßenzug Brunnenstraße/ Heinrich-Heine-Straße die Linie D, später Linie 8, die den Alexanderplatz unterquert, erkennbar. Zusätzlich ist die Nordsüdbahn der S-Bahn dargestellt, wie sie sich ihren Weg vom Potsdamer Platz zum Nordbahnhof durch den Ostsektor sucht. In diesem Plan sind im Gegensatz zu späteren Auflagen noch alle Bahnhöfe als geöffnet erkenntlich, so als sei die Grenze noch offen. Ebenso sind grenzüberschreitende U-Bahnlinien dargestellt, die längst außer Betrieb waren. Mit diesem Plan aber wird deutlich, wo welche Bahnhöfe im Osten gelegen haben. Daher eignet sich dieser Planausschnitt sehr gut, um die Örtlichkeiten zuordnen zu können.

Die Transitstrecken der U-Bahn vor 1961

Die Linien U6 (früher C) und U8 (früher D) haben etwas gemeinsam: Sie verlaufen in Nord-Süd-Richtung durch die Innenstadt. Dies war schon vor dem Krieg so. Der Zufall und die politische Geographie Berlins wollte es so, dass diese Strecken nach 1945 vom Amerikanischen Sektor durch den Sowjetischen Sektor in den Französischen Sektor führen. Kurz: Von Westberlin durch Ostberlin nach Westberlin. Darin sah man in den ersten Jahren nach dem Krieg kaum ein Problem. Die Probleme begannen 1949, als die BVG zwischen dem Westen und Osten aufgeteilt wurden.

Für diese beiden Linien galten folgende Regelungen:
Die Linien gehörten zum Bereich der BVG-West und wurden von ihr betrieben. Die BVG-West stellte somit Fahrzeuge und Zugpersonal.

Für die durch den Osten führenden Abschnitte galt folgendes: Die Strecken- und Tunnelbauwerke werden von der BVG-Ost betrieben. Die Bahnhöfe unterstehen der BVG-Ost. Die Stromversorgung der Transit-Abschnitte wird ebenfalls durch die BVG-Ost bzw. Ost-BEWAG sichergestellt.


Netzplanausschnitt: Die beiden den Osten durchquerenden U-Bahnlinien C und D in den 50er Jahren.

In der Praxis bedeutete dies: Westzüge fahren auf Oststrecken. Westliches Zugpersonal wird durch östliches Bahnhofspersonal abgefertigt. Das funktionierte in jenen Jahren ganz gut. Nun gab es aber Fahrgäste, denen es, etwa aus beruflichen Gründen, sehr wichtig war, zu wissen in welchem Sektor sie gerade waren. Aus diesem Grunde wurde die Bahnhofsansage per Dienstvorschrift geändert. Der Zugabfertiger der BVG-West hatte auf den letzten zu Westberlin gehörenden Bahnhöfen, den sogenannten "Grenzbahnhöfen" darauf hinzuweisen, dass es sich bei diesem Bahnhof um den letzten Bahnhof im Westen handelt: Das klang dann etwa so: "Kochstraße - letzter Bahnhof in den Westsektoren, letzter Bahnhof in den Westsektoren!"

Folgende Bahnhöfe waren "Grenzbahnhöfe:
Linie C (U6): Kochstraße, Reinickendorfer Straße
Linie D (U8): Moritzplatz, Voltastraße

Die BVG-Ost antwortete prompt: Sie ließ an den ersten Bahnhöfen im Osten verkünden, dass man nun im "Demokratischen Berlin" willkommen sei.

Die beiden Strecken gehörten zu den wichtigsten U-Bahnlinien überhaupt und waren stets gut ausgelastet. Es waren nicht nur Westberliner die durch den Osten fuhren, sondern auch ganz normale Anlieger, die im Westen zu- und im Osten ausstiegen oder umgekehrt, oder Fahrgäste, die nur innerhalb des Ostens die U-Bahn nutzten. Es waren also ganz normale Umstände, die hier herrschten, mit der einzigen Besonderheit, dass die Linien von einem weltpolitischen Machtblock in den anderen fuhren. Aber das interessierte den einfachen Fahrgast eh kaum; er wollte nicht von Westberlin nach Ostberlin sondern von Neukölln nach Mitte. Er wollte von seiner Wohnung zu seiner Arbeitsstätte, er wollte Freunde und Bekannte besuchen, Einkäufe tätigen, Besorgungen erledigen. Viele Ost-Berliner darunter, die zur "HO Gesundbrunnen" wollten...

1953 kam es im Osten zu Arbeiter-Unruhen, die schließlich am 17. Juni in den bekannten Streiks und Arbeitsniederlegungen gipfelten, die die Existenz und Zukunft der DDR erstmalig in Frage zu stellen schienen.

Die Regierung der DDR jedenfalls erließ den Ausnahmezustand für Ostberlin, die Unruhen wurden mit Hilfe der russischen Besatzer kaltgestellt.

Auch die U-Bahn war betroffen: Der Zugverkehr auf den Transitstrecken wurde eingestellt. Für die BVG-West bedeutete dies, dass die Züge auf den letzten Bahnhöfen im Westsektor zu enden hatten. Dies war leichter gesagt als getan, denn: Damals gab es an den letzten Bahnhöfen noch keine Gleisverbindungen. Somit musste zum Teil mit Pendelverkehr gefahren werden. Der Gesundbrunnen zum Beispiel war mit der U-Bahn überhaupt nicht erreichbar.

An dieser Betriebspraxis änderte sich in den nächsten Tagen nichts. Ab 18. Juni allerdings wurde ein bescheidener U-Bahnverkehr im Osten aufgenommen: Ein Zug pendelte von Stadtmitte bis zum Nordbahnhof auf der Linie C. 

17. Juni: Blumenbretter auf der Linie D
Was bislang eigentlich unbekannt war, ist die Tatsache, dass es in den Tagen nach dem 17. Juni sogar einen durch die BVG-Ost betriebenen Pendelverkehr zwischen Neanderstraße und Rosenthaler Platz oder gar Bernauer Straße gab. Zum Einsatz kamen hier zwei Kleinprofilzüge, die von der Linie E (dort im normalen Fahrgasteinsatz) auf die Linie D durch den Waisentunnel überführt wurden. Die beiden Züge pendelten auf den beiden Gleisen im wechselseitigen Verkehr. Und das obwohl auf einem Kehrgleis am Alexanderplatz ein BVG-West-Zug abgestellt war. Aber dieser Zug wurde nicht benutzt, vermutlich deshalb, weil die BVG-Ost-Fahrer auf dieser Zuggattung (Baureihe B) nicht ausgebildet waren. Obwohl die Recherchen hierzu noch nicht abgeschlossen sind, ist belegbar, dass der Zugverkehr wie eben beschrieben stattfand. Erst zum 9. Juli wurde dieser Zugverkehr wieder eingestellt. Ich berufe mich hier auf die Recherchen von Herrn Haase, der über das Thema eine Magister-Arbeit geschrieben hat.

Am 9. Juli verfügte die Regierung der DDR die Aufhebung des Ausnahmezustandes, das Leben im Ostsektor normalisierte sich, auch der U-Bahnverkehr konnte den Betrieb in altbekannter Form wieder aufnehmen. 

Die BVG-West jedoch hatte ihre Erfahrungen mit den Unberechenbarkeiten des Ostens gemacht: In der Folgezeit wurden jeweils an den letzten Bahnhöfen vor dem Osten Weichen eingebaut, um ein Wenden der Züge auf Westberliner Gebiet zu ermöglichen. 

Nach 1952 war die innerdeutsche Grenze gesichert worden, auch um Berlin war ein Überschreiten der Grenze nicht mehr so ohne weiteres möglich. Im Vergleich zu späteren Jahren war die innerdeutsche Grenzbefestigung noch sehr bescheiden, um Berlin herum etwa waren die Straßen zunächst nur mit einem simplen Stacheldrahtverhau versehen worden. Auf jeden Fall war es den Westberlinern nicht mehr gestattet, die DDR zu betreten. Ostberlin dagegen durfte noch betreten werden, schließlich gab es viele Westberliner, die im Osten ihre Arbeitsstelle hatten. Dies waren so genannte "Grenzgänger".

Auch entlang der innerberlinischen Sektorengrenze waren Grenzposten der DDR ein normaler Anblick geworden. Es wurde also in den folgenden Jahren immer schwieriger, die Grenze zu überqueren. Nur mit der U-Bahn und der S-Bahn war dies noch recht problemlos möglich. 1957 wurde im Strafgesetzbuch der DDR der Tatbestand der "Republikflucht" unter Strafe gestellt, doch mehr und mehr Ostberliner und DDR-Bürger benutzten diese U-Bahnstrecken (und natürlich die S-Bahn) für die Flucht aus der DDR nach West-Berlin. 

Nun war es aber in den Jahren bis zum Mauerbau alles andere als einfach, als gewöhnlicher DDR-Bürger in die Hauptstadt, also nach Ost-Berlin zu kommen: Seit etwa 1953 wurde praktisch jeder Fernzug, der nach Berlin fuhr, an der Ost-Berliner Stadtgrenze angehalten und kontrolliert. Hierzu gab es regelrechte Kontrollbahnhöfe, die späteren Grenzübergängen glichen. Ebenso verhielt es sich auf den Berlin zulaufenden Straßen. Jeder DDR-Bürger, der in seinem Personalausweis einen roten Balken hatte, galt als "politisch labil" und war somit in Berlin "unerwünscht", hatte sich demzufolge sehr unbequemen Befragungen durch die "Organe" zu stellen, wo er gute Gründe haben musste, um nach Berlin zu reisen... Ein Umzug nach Berlin oder eine Arbeitsaufnahme dort war für diesen Personenkreis praktisch aussichtslos. Und wer in der Ostberliner U- oder S-Bahn in jener Zeit mit Reisekoffern unterwegs war, machte sich sowieso verdächtig.

Schon in jener Zeit gab es in der Führung der DDR Gedankengänge, wie man dieses offene Grenzproblem lösen könnte. Eine der Varianten war, den gesamten zivilen Flugverkehr West-Berlins über den DDR-Flughafen Schönefeld abzuwickeln. Somit hätte die DDR die direkte Kontrolle über den gesamten Flugverkehr zwischen Berlin und der Bundesrepublik erlangen können. Eine "Republikflucht" außer nach Westberlin wäre dann nicht mehr möglich gewesen. Selbstverständlich haben sich die westlichen Alliierten auf diese Variante nicht eingelassen. Eine andere Variante war, die Stadt entlang der Sektorengrenze durch bauliche Maßnahmen zu sichern. Dies bedeutete faktisch den Bau einer Mauer. Doch hierzu waren die Sowjets nicht bereit die Genehmigungen zu geben. Und die war unbedingte Voraussetzung für eine solche Maßnahme, denn Berlins oberste Machthaber waren die Alliierten, das war auch der DDR klar. 
Es vergingen weitere Jahre, in denen viele DDR-Bürger ihre Abstimmung zum DDR-System mit den Füßen vornahmen. Die DDR konnte dem nur noch mit Agitation entgegenwirken. Im März 1961 flog Staatschef Walter Ulbricht nach Moskau, um das Fluchtproblem zum Punkt der Tagesordnung zu machen. Er erhielt vom Kremlchef Chruschtschow eine Abfuhr in dieser Angelegenheit. Ulbricht erhielt zur Antwort: "Löse die Probleme mit anderen Mitteln". Eine Mauer kam für die sowjetischen Machthaber (noch) nicht in Frage. In Folge der Eiszeit zwischen den Blöcken wollte man den Westen nicht unnötig provozieren.

Die DDR-Bürger flüchteten weiter, es waren vor allem Wissenschaftler und Facharbeiter, die es vorzogen in den Westen zu gehen.

Im Juni 1961 fand in Ostberlin eine internationale Pressekonferenz statt, zu der auch westliche Zeitungsvertreter geladen waren. Es entwickelte sich folgender Dialog zwischen Annemarie Doherr und Walter Ulbricht:
"Eine Frage Herr Vorsitzender - Doherr, Frankfurter Rundschau - Bedeutet die Bildung einer Freien Stadt Ihrer Meinung nach, dass die Staatsgrenze am Brandenburger Tor errichtet wird? Und sind Sie entschlossen, dieser Tatsache mit allen Konsequenzen Rechnung zu tragen?"
Darauf Ulbricht: "Ich verstehe Ihre Frage so, dass es Menschen in Westdeutschland gibt, die wünschen, dass wir die Bauarbeiter der der Hauptstadt der DDR dazu mobilisieren eine Mauer aufzurichten, ja? Ähhh, mir ist nicht bekannt das solche Absicht besteht, da sich die Bauarbeiter der Hauptstadt der DDR hauptsächlich mit Wohnungsbau beschäftigen, und ihre Arbeitskraft dafür voll ausgenutzt wird, voll eingesetzt wird. Niemand hat die Absicht eine Mauer zu errichten!"

Mit Sicherheit gab es in den Führungsebenen der DDR entsprechende Pläne. Sicher ist aber auch, dass es in diesen Tagen, Mitte Juni 1961, noch keine genaue Vorstellung über die technische Umsetzung gab.
Vom 3. bis zum 8. August weilte Ulbricht nochmals in Moskau. Hier war er Angeklagter und Ankläger zugleich: Angeklagter, weil er es nicht schaffte, für das Volk derartige Lebensbedingungen zu schaffen, die einer Abwanderung die Grundlage entziehen würden. Ankläger, weil es die sowjetischen Machthaber nicht gestatteten, die Inneren Angelegenheiten der DDR selber bestimmen zu lassen.

Zum Schluss dieser Treffen bekam Ulbricht die Zusage, die er wollte. Er erhielt grünes Licht für die Aktion "Chinesische Mauer" mit dem unmissverständlichen Hinweis: "aber keinen Schritt weiter!" Erleichtert reiste Ulbricht zurück nach Ostberlin.
In den nächsten Tagen gründete die Regierung der DDR einen Arbeitsstab, der die Trennung der Verkehrswege innerhalb Berlins vorbereiten sollte. Leiter dieser Arbeitsgruppe war der damalige FDJ-Agitator Erich Honecker. Ihm traute man eine solche Aufgabe zu. Sofort machte Honecker sich an die Arbeit: Er bereitete die Teilung der Stadt bis hin zu letzten Details vor, nichts wurde dem Zufall überlassen. Honecker kontaktierte in dieser Sache auch Karl Maron, den damaligen Innenminister. Maron verfasste einen Befehl, der die Teilung der U-Bahn vorsah. Hiernach sollten die beiden Linien C und D dem westlichen Netz zugeschlagen werden, die Bahnhöfe im Ostsektor waren mit Ausnahme von Friedrichstraße zu schließen. Der Bahnhof Friedrichstraße sollte als Grenzübergangsstelle weiterhin geöffnet bleiben. (siehe "Maron-Befehl")
Genauestens gaben diese streng vertraulichen Befehle Auskunft darüber, wie in welchen Fällen zu verfahren ist. Nur eines wurde nirgendwo genannt: Der Zeitpunkt, ab wann diese Regelungen in Kraft treten sollten. Es wurde stets nur von der "X-Zeit" gesprochen.

Die gesamte Aktion lief unter allergrößter Geheimhaltung. Es waren nur die direkt betroffenen Stellen, die über entsprechende Befehle unterrichtet wurden. Oftmals wurden Befehle in geschlossenen Umschlägen per Boten überbracht, und diese Boten, vermutlich von der Staatssicherheit, sorgten dafür, dass die Umschläge erst in einem bestimmten Moment geöffnet wurden, wobei auch sie wohl nicht wussten, was der Inhalt des Umschlages vorsah. 

Ulbricht lud alle Minister und hochrangige Regierungsmitglieder am 12. August nachmittags in seinen Landsitz am Döllnsee. Dort erteilte er Erich Honecker die förmlichen Vollmachten zur Grenzschließung und informierte die übrigen Anwesenden, unter ihnen auch Verkehrsminister Kramer, über "gewisse Unbequemlichkeiten" in den folgenden Tagen in Berlin.

Als Kramer abends wieder in Berlin war, zitierte er Vertreter der BVG-Ost direkt von einem feucht-fröhlichen Fest zu sich ins Ministerium. Die fröhliche Stimmung war bei den Ausführungen Kramers schnell dahin...

Als "X-Zeit" galt Sonntag, der 13. August, 1.00 Uhr.
Dieser Tag wurde bewusst gewählt. Am Montag-früh, also über 24 Stunden später, sollte die Aktion erfolgreich durchgeführt und beendet und außerdem sichergestellt sein, dass der U- und S-Bahnverkehr reibungslos läuft.

Die Transitstrecken nach 1961

Zum Zeitpunkt "X" lief der U-Bahnverkehr auf den Linien C und D noch reibungslos, der Betriebsschluss stand bevor. Derweil begannen Organe der NVA, Straßen im Bereich der Sektorengrenze "pioniermäßig" zu sichern. Selbst in diesen Stunden ahnte im Westen niemand, dass in den folgenden Stunden eine beispiellose logistische Leistung anlaufen würde, die zum Ziel haben sollte, das eine Stadt mit über drei Millionen Einwohnern hermetisch völlig getrennt wird, sowohl oberirdisch als auch unterirdisch.

In den frühen Morgenstunden dieses Sonntags wurde der Zugverkehr planmäßig wieder aufgenommen, das Zugpersonal fuhr trotz der Ereignisse an der Grenze in die Transitabschnitte ein. Die Züge wurden von den Grenzorganen auf den ersten Bahnhöfen im Osten in der Form empfangen, dass das Zugpersonal angewiesen wurde, nicht zu halten. Die Züge hatten ohne Halt die Streckenabschnitte im Osten zu passieren. Erst am Bahnhof Friedrichstraße war zu halten. Dieser Bahnhof war als "Grenzübergangsstelle" vorgesehen. Es wurde in diesem Bahnhof nur ein Zugang offen gehalten, an dem die Abfertigung der "Reisenden" erfolgte. Alle anderen Bahnhöfe blieben an diesem 13. August verschlossen und wurden schwer bewacht.

An diesen Umständen änderte sich in den folgenden Tagen nichts. Daraus wurde eine Dauereinrichtung: Die Züge der Linie C hielten nur auf dem Bahnhof Friedrichstraße, die Züge der Linie D dagegen hielten gar nicht im Osten.


Netzplanausschnitt: Die Transitstrecken nach 1961

 

In den Folgejahren wurden die Strecken zu regelrechten Festungen ausgebaut: Notausstiege wurden verschweißt, Bahnhofszugänge wurden als solche unkenntlich gemacht, indem das "U" über den Zugängen entfernt wurde. Damit nicht genug: Aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit sollten diese Strecken verschwinden. In keinem vom Osten heraus gegebenen Stadtplan waren die Linien mehr dargestellt. Verbindungsgänge innerhalb der Umsteigebahnhöfe wurden vermauert, Treppenabgänge durch Betonplatten abgedeckt. 

Tatsächlich waren die Transitstrecken aus dem Bewusstsein der Ostberliner getilgt. Manch einer wunderte sich, wenn unter ihm, etwa am Rosenthaler Platz, der Boden bebte, obwohl keine Straßenbahn des Weges kam. Natürlich wussten die meisten Ostberliner, dass es da U-Bahnlinien unter der Innenstadt gab, die tabu waren, die in keinem Stadtplan mehr verzeichnet waren...

Jede Art eines Fluchtversuches sollte unmöglich gemacht werden. Daher wurden die der Grenze nächstgelegenen Bahnhöfe in besonderem Umfang gesichert: Die Treppenabgänge zum Bahnsteig wurden vermauert und mit Schießscharten-ähnlichen Fensteröffnungen versehen. Hinter diesen Fenstern wurden Wachstuben eingebaut, von denen aus das gesamte Geschehen auf dem Bahnsteig überblickt werden konnte.

Unterhalb der Bahnsteigkanten wurden Stacheldrahtrollen ausgelegt. Somit wurde unterbunden, dass ein "Republikflüchtling" unterhalb der Bahnsteigkante im Gleisbett entlang kriechen und somit der Aufmerksamkeit der Grenzorgane entgehen könnte. Nicht nur einmal hat sich der Stromabnehmer eines Zuges in seiner Vorbeifahrt in den Rollen verfangen. In Grenznähe wurden allerlei technische Vorkehrungen getroffen: So wurden recht raffinierte Lichtschranken übereinander angeordnet. Übereinander deshalb, weil ein U-Bahnzug im Tunnel dann alle drei Lichtschranken bei seiner Durchfahrt gleichzeitig unterbrechen würde. Würde aber durch eine Person nur eine oder zwei der drei Schranken unterbrochen werden, würde Alarm ausgelöst werden. Doch damit nicht genug: Es wurden Kontaktplatten in den Gleisen ausgelegt, die von einem Zug gefahrlos überfahren werden, aber von einer Person aufgrund der Größe nicht übersprungen werden können. Die Person aber würde zwangsläufig auf diese Platten treten müssen, was zur Alarmauslösung geführt hätte. Abgesehen davon, dass eine flüchtende Person keine Chance hatte in den Tunnel erst hineinzukommen, wurde dennoch größter Wert auf eine wirksame Abwehr der Fluchtmöglichkeit gegeben. Auch Fahrstromtechnisch wurden Änderungen vorgenommen: So war es praktisch von allen relevanten Sicherungsposten aus möglich, die Fahrstromversorgung mittels Fahrstrom-Steuerschalter zu unterbrechen.

Die Sektorengrenze war auch im U-Bahntunnel sichtbar: Ein breiter weißer Strich an der Wand kennzeichnete die genaue Lage der Grenze. Später wurden sogar Rolltore eingebaut, die bei nächtlicher Betriebsruhe stets zu schließen waren.

(Anm: In verschiedenen Schriften werden diese Rolltore bei der U-Bahn angezweifelt. Ein ehemaliger Zugabfertiger, der am U-Bhf. Reinickendorfer Straße damals des öfteren Dienst hatte, bestätigte mir die Existenz dieser Tore zumindest zwischen Reinickendorfer Straße und Stadion der Weltjugend.)

Die nächstgelegenen Bahnhöfe entlang der Grenze waren durch Grenzorgane der DDR gesichert. Dies waren die Bahnhöfe Walter-Ulbricht-Stadion und Stadtmitte bei der Linie C, später 6, und Bernauer Straße und Neanderstraße auf der Linie D, der späteren U8.

Die übrigen Bahnhöfe waren lediglich mit Posten der Transport-Polizei zu sichern. Im Bahnsteigbereich hatten die Wachposten stets zu zweit aufzutreten. Hierbei wurde darauf geachtet, dass es zwischen den Posten zu keinen persönlichen Bindungen kommen konnte. Darüber hinaus fanden von höheren Dienststellen Kontrollen statt, die nicht angekündigt wurden. Somit war auch personell eine größtmögliche Sicherheit gegeben.

Hin und wieder kam es vor, dass die Bahnhöfe, oder Teile davon, zweckentfremdet genutzt wurden. Auf dem Bahnsteig der Linie D am Alexanderplatz zum Beispiel wurden Wände gezogen und somit geschlossene Räumlichkeiten geschaffen. Diese Räume wurden von einer Bahnmeisterei genutzt. Der "Mäusetunnel", der die beiden Bahnsteige im Bahnhof Stadtmitte verband, wurde als Lagerraum genutzt. Noch Jahre nach Öffnung des Tunnels waren die Abdrücke der Behältnisse im Asphaltboden zu erkennen.

Der U-Bahnhof Friedrichstraße


U-Bahnhof Friedrichstraße in den 70er Jahren

In den folgenden Jahren wurde der Bahnhof Friedrichstraße immer perfekter gesichert. Hier waren umfangreiche Aufgaben zu erfüllen, denn dieser Bahnhof war ein Umsteigebahnhof zu zwei weiteren S-Bahnstrecken und zur Fernbahn und außerdem ein Fußgänger-Grenzübergang. Insgesamt erschwerend kam hinzu, dass ein Bahnsteig der S-Bahn weiterhin dem DDR-Binnenverkehr seitens des Ostens offen zugänglich sein sollte. Aufgrund der komplizierten Baulichkeiten dieses Bahnhofs entstand ein äußerst unübersichtliches und in der Folge absolut unüberwindliches Gängesystem. 
In den Anlagen der U-Bahn passierte folgendes: Der südliche Zugang, ein Verteilergeschoss mit Ausgängen zur Friedrich- und Georgenstraße, wurde vollständig verschlossen. Der nördliche Zugang blieb geöffnet. Hier gelangte man über eine Treppe in eine Vorhalle, in der sich ein Fahrkartenschalter befand. Dieser Fahrkartenschalter blieb stets durch Personal der BVG-Ost besetzt. Der weiter hinauf führende Ausgang zur Weidendammer Brücke dagegen wurde geschlossen. Dafür aber blieb der Verbindungsgang zum Nord-Süd-Bahnsteig der S-Bahn offen. Man gelangte also wieder hinunter zum Bahnsteig der S-Bahnen Richtung Anhalter Bahnhof und Gesundbrunnen. 

Auf diesem Bahnsteig wiederum begannen Treppen, die hinauf zum Stadtbahnhof führten. Hierbei betrat man die ebenerdig liegende Vorhalle des Bahnhofs. Von hier aus gelangte man hinauf zur Stadtbahn mit ausschließlicher Fahrtrichtung nach Zoo und Wannsee, also nach West-Berlin. Außerdem begannen hier die Gänge zu den Grenzabfertigungsanlagen. Die wiederum waren je nach Ein und Ausreise räumlich getrennt. Die "Einreise in die Hauptstadt der DDR" fand im Inneren des Bahnhofsgebäudes statt, während für die Ausreise um 1962 ein nördlich angeordneter Pavillon entstand, der so genannte "Tränenpalast". 

Erst nach Überwindung der Grenzkontrolle aber gelangte man zum Vorhallenbereich der Ost-S-Bahn. Einer der drei oberen Bahnsteige, der Bahnsteig A, diente dem DDR-Binnenverkehr der S-Bahn Richtung Alexanderplatz und Ostkreuz. Der von der U-Bahn aus frei zugängliche Bahnsteig B diente nur den Zügen der S-Bahn Richtung Zoo/ Westkreuz. Der Bahnsteig C dagegen diente dem Interzonen-Fernverkehr. Ab hier fuhren Züge nach Westdeutschland ab. In diesem Bahnsteigbereich fand auch die reguläre Kontrolle durchlaufender Reisezüge statt. Damit aber nicht einfach ungehindert in diesen Zug zugestiegen werden konnte, waren auf dem Bahnsteig weiße Linien gemalt, die erst nach Aufforderung, sonst aber unter keinen Umständen von den Reisenden überschritten werden durften.

Um in der Bahnhofshalle ein Überlaufen (etwa über die Gleise) vom Ost-S-Bahnsteig zum West-S-Bahnsteig zu unterbinden, wurden raumhohe Glasflächen errichtet. Anfang der 80er Jahre wurden diese Glasflächen durch äußerst unansehnliche Metallwände ersetzt. Außerdem war an der westlichen Hallenschürze ein Steg über den Gleisen errichtet worden, der personell durch Grenzposten besetzt war. Es ist selbstredend, dass Grenz- und zivile Stasiorgane in diesem Bahnhofskomplex allgegenwärtig waren. 


Grenzübergang Friedrichstraße
Schematisierte und vereinfachte Darstellung

Als Westbürger konnte man sich in diesem Bahnhof absolut frei und unbehelligt bewegen, ohne jegliche Kontrolle konnte man zwischen den westlichen Verkehrsmitteln frei umsteigen. Nur verlassen konnte man diesen Bahnhof nie ohne Kontrollen. Natürlich hatte man gewisse Verhaltensregeln zu befolgen, etwa, dass das Fotografieren natürlich streng untersagt war und auch nur sehr wenige gewagt hätten.

Die gesamte Bahnhofsanlage war perfekt gesichert, die Staatsorgane der DDR waren in diesem Bahnhof allgegenwärtig. Außerdem wurden in den 70er Jahren umfangreiche Videoanlagen installiert, womit das gesamte Geschehen im Bahnhof perfekt unter Beobachtung war. Kontrolliert wurde praktisch alles, auch die Organe beobachteten sich gegenseitig.

Im Laufe der Jahre entwickelte sich der Bahnhof Friedrichstraße zu einem Anziehungspunkt der besonderen Art: Mehr und mehr "Intershops" wurden eingerichtet. Intershops waren eine Einrichtung der DDR, wo gegen "Valuta", also gegen DM-West (und natürlich US-Dollar) Westwaren verkauft wurden. Intershops befanden sich überall in der DDR, vor allem in Bahnhöfen, Hotels, Autobahnraststätten und eben auch im Bahnhof Friedrichstraße. Die Zielkundschaft der Intershops waren Bürger der DDR, die über harte Währung verfügten und natürlich Bundesbürger, die zu Besuch in der DDR waren. Im Bahnhof Friedrichstraße war dies anders: Hier war die Zielkundschaft der West-Berliner, der zum Einkaufen zur Friedrichstraße fuhr. In der Tat waren diese Läden bei den Westberlinern recht beliebt, denn hier gab es Tabakwaren und Alkoholika erheblich preiswerter als in Westberlin. Dies war möglich, weil die Waren hier Steuer- und zollfrei verkauft wurden. Eine Stange Marlboro-Zigaretten beispielsweise, die in Westberlin 38 DM kostete, bekam man hier für 25 DM. Manchmal im Angebot sogar noch billiger. Man bekam hier aber auch Erzeugnisse der DDR, die zum Teil exklusiv für den Export hergestellt wurden und auch Zeitungen, Zeitschriften, politische Literatur und dergleichen. Für die DDR entwickelte sich dieser Bahnhof im Laufe der Jahre zu einer wertvollen Devisenquelle. West-Berliner nannten diesen Bahnhof oft einfach nur "Bahnhof Intershop".

Der Betriebsalltag

Die BVG-West beschaffte in den Jahren seit 1956 moderne U-Bahnzüge, die in der Lage waren als "Einmann-Zug" gefahren zu werden. Die Konsequenz dieser Entwicklung war, dass der Zugbegleiter im Laufe der Jahre immer seltener wurde. Das Bahnsteigpersonal überwachte den Fahrgastwechsel und gab dem Zugfahrer mittels eines Signals den Auftrag, die Türen zu schließen und ab zu fahren. 

Diese Regelung galt nicht für die Transitstrecken. Trotz der modernen Züge sind bis 1990 stets Begleiter mit durch den Osten gefahren. Die Begleiter stiegen am letzten Bahnhof in Westberlin in den Führerstand zu und begleiteten den Zug durch den Osten. Am ersten Bahnhof im Westen stiegen sie wieder aus und fuhren zurück. Darüber hinaus waren die letzten Bahnhöfe vor dem Osten immer doppelt besetzt. Hierdurch sollte immer eine größtmögliche Sicherheit für das BVG-Personal und die Fahrgäste gegeben sein. 
Das Westpersonal achtete peinlichst genau darauf, dass der Zugverkehr im Osten regelmäßig verlief. Stellte sich ein Verzug ein, dass ein Zug nicht planmäßig aus dem Osten kam, wurde der planmäßig in den Osten fahrende Zug zurückgehalten. Nicht selten kam es vor, dass der Zugumlauf im Osten ins Stocken geriet. Dies konnte die verschiedensten Gründe haben. Nur äußerst selten wurde dann die BVG-West von dem Grund der Verzögerung in Kenntnis gesetzt. Es gab zwar eine Telefonleitung zwischen den obersten Dienststellen der BVG-Ost und der Betriebsleitung bei der BVG-West; das bedeutet aber noch lange nicht, dass diese Leitung auch genutzt wurde. Wenn es aber zu einer Betriebsunterbrechung aufgrund eines Schadens kam, konnte die BVG-West davon ausgehen, dass diese Störung einige Stunden dauern wird. Eine Sprechverbindung zwischen Zugpersonal und Betriebsleitung-West gab es nicht: Funkgeräte durften nicht benutzt werden. 

Für die BVG war es dann zwecklos Ersatzbusse einzusetzen, die nämlich hätten in einem großen Bogen um das Ostberliner Stadtzentrum herumfahren müssen. Wenn es zum Beispiel einen Schienenbruch gab, dann ging es dem Osten nicht um eine zügige Behebung des Schadens, sondern um Sicherheit: Es trat ein Verwaltungsakt in Aktion, denn zunächst musste ein politisch zuverlässiger Bautrupp zusammengestellt und die Bewachung des selben sichergestellt werden und erst dann konnte mit der eigentlichen Arbeit zur Behebung des Schadens begonnen werden. 

Während Fahrgäste in Zügen, die sich noch in Westberlin befanden, Umsteigen und den Osten mit anderen Verkehrsmitteln umfahren konnten, hatten die Fahrgäste Pech, die sich in einem Zug befanden, der bereits unter dem Osten der Stadt war. Dieser Zug wurde dann von den Grenzorganen umstellt um zu verhindern, dass Fahrgäste oder Zugpersonal den Zug verlassen könnten. Dabei spielte es keine Rolle, wie eilig es ein Fahrgast auch immer haben konnte. Es ist nur ein Fall bekannt, dass ein Zug auf der Transitstrecke evakuiert wurde, auch sowas gabs!. Zu diesem Zweck gab es meist einen Bus mit Fahrer der BVG-Ost, der irgendwo in der Berliner Innenstadt bereit stand für den Fall der Fälle. Es soll in den 70er Jahren mal eine Evakuierung eines Zuges auf der Linie 8 gegeben haben, wobei die Fahrgäste unter entsprechender Bewachung in diesen Bus geleitet und anschließend zu einem der Grenzübergänge gefahren und somit wieder direkt und ohne weitere Zwischenfälle nach West-Berlin geschleust wurden.

In den allermeisten Fällen aber blieben Fahrgäste und Personal im Zug bis es weiterging. Erst in den letzten Jahren gab es eine Abmachung, die es gestattete, dass ein liegen gebliebener U-Bahnzug mit Hilfe einer Schlepplok aus der Transitstrecke gezogen werden durfte.

Als im August 1961 die Bahnhöfe im Osten geschossen wurden, hatte die BVG-West vor, weiterhin im Osten zu halten. Aus folgendem Grund: In der offiziellen Diktion des Westens gab es keine DDR. Sie wurde von der Bundesrepublik bekanntlich niemals anerkannt. Da es nun also keine DDR gab, konnte es auch kein DDR-Grenzregime geben. Denn das real existierende Grenzregime war im Sinne des Westens illegal. Folglich gab es auch keine gesperrten U-Bahnhöfe. Warum also, so die BVG-West, sollte nun in diesen Bahnhöfen durchgefahren werden. Auch in den Netzplänen der ersten Mauerjahre waren die Ostbahnhöfe noch regulär eingezeichnet. Also, so meinte die BVG-West als verlängerter Arm des Westens, ist es legitim, dass die Züge in den gesperrten Bahnhöfen kurz anhalten, und wenn dies auch nur symbolisch ist.

Sofort gab es Ärger mit den Grenzorganen, die den Halt auf den gesperrten Bahnhöfen untersagten. Die Züge hätten ohne Halt durchzufahren. Man einigte sich auf einen Kompromiss: Die BVG-Zugfahrer wurden von der Leitstelle angewiesen mit vermindertem Tempo durch die Bahnhöfe zu fahren. Und so wurde das in den folgenden Jahrzehnten dann praktiziert, anders als die S-Bahn, die mit unvermindertem Tempo durch die Transitbahnhöfe fuhr.

Es gab Fahrgäste, die aus verschiedensten (z.B. beruflichen) Gründen unter keinen Umständen in den Transitabschnitt einfahren durften, da sie hiermit das "Hoheitsgebiet der DDR" betreten hätten. Aus diesem Grunde führte die BVG-West schon in den 50er Jahren die Dienstvorschrift ein, die die Fahrgäste durch Ausruf darauf hinwies, dass die grenznahen Bahnhöfe die "Letzten Bahnhöfe in Berlin-West" seien, hierauf wurde oben schon hingewiesen. Anfang der 70er Jahre wurde der Wortlaut geändert: Statt "Letzter Bahnhof in den Westsektoren" hieß es nun "Letzter Bahnhof in Berlin (West)". Dieser Wortlaut war von den Zugabfertigern stets zu wiederholen.

Die Sicherheit ging noch weiter:
Technisch bedingt kann es vorkommen, dass ein Zugfahrer den Zug in einem Bahnhof nicht rechtzeitig zum Halten bringen kann. Dies kann verschiedene Ursachen haben, ist aber im Grunde genommen kein Problem, da in einem solchen Fall eine Unfallgefahr nicht gegeben ist. 

Wenn nun ein Zugfahrer mit der Zugspitze erst hinter dem Bahnsteigende zum Stehen kommt, gilt grundsätzlich bei der BVG folgende Verfahrensweise: Der Zugabfertiger teilt den Fahrgästen sowohl im Zug als auch auf dem Bahnsteig mit, dass die Türen geschlossen zu bleiben haben. Da die Zugtüren damals noch keinen Dauerverschluss während der Fahrt hatten, war der Zugfahrer angewiesen, die Türen mit Hilfe der Druckluftanlage geschlossen zu halten. Wenn vom Zugabfertiger festgestellt wurde, dass kein Fahrgastwechsel stattfand, hatte er den Abfahrauftrag zu erteilen. Nun hatte der Zugfahrer zum nächsten Bahnhof weiter zu fahren. Dies ist in den Dienstvorschriften entsprechend geregelt, damit Fahrgäste des ersten Wagens nicht ins Gleis fallen können.
Diese Regelung galt an den letzten Westbahnhöfen vor den Transitstrecken nicht, damit politisch gefährdete Personen die Möglichkeit haben, den Zug zu verlassen.

Um den Halt technisch zu erzwingen, wurden um 1964 die Signalanlagen an den betreffenden Bahnhöfen geändert: Grundsätzlich waren die Signale rot, wenn ein Zug in den Bahnhof einfuhr. Sollte er durchfahren, würde er zwangsgebremst werden. Mit Einfahrt in den Bahnhof wurde ein Zeitmechanismus ausgelöst, der eine Weiterfahrt des Zuges erst nach 30 Sekunden gestattete.
So war sichergestellt, dass der Zug in diesen Bahnhöfen halten wird.

In den Dienstvorschriften U-Bahn der BVG-West gab es einen Passus, der sich speziell mit den Transitstrecken befasst.
Die BVG sprach dienstintern nicht von "Transitstrecken", sondern von den "Streckenteilen Ri - Ks bzw. Vo - Mr". Den Terminus "Transitstrecke" gab es im Westen nicht, denn es gab ja keine DDR nach Auffassung des Westens...
Dort war zum Beispiel festgelegt, dass ein Halt auf einem Transitbahnhof unter allen Umständen zu unterbinden war. Sah ein Zugfahrer zum Beispiel, dass ein Ausfahrtsignal in einem gesperrten Bahnhof halt zeigte, war er angewiesen sofort, also nach Möglichkeit noch vor dem betreffenden Bahnhof anzuhalten. Außerdem waren die Zugabfertiger auf den Grenzbahnhöfen angewiesen, eine Zugfolge von mindestens 3 Minuten einzuhalten, nicht dichter. Sollte ein Fahrgast die Notbremse ziehen, wobei sich der Zug noch auf West-Berliner Gebiet befindet, den Grenzbahnhof aber bereits verlassen hat, ist der Zugbegleiter verpflichtet, den Fahrgast -wenn er dies wünscht- zum Grenzbahnhof zurück zu begleiten. (Gleis stromlos machen, Kurzschließer setzen!) Sollte der Fahrgast zu einem Verlassen des Zuges nicht in der Lage sein, ist der Zug in den Grenzbahnhof zurückzuziehen. Wenn man sich vorstellt, dass auf der U6 im Berufsverkehr im 3-Minutentakt gefahren wird und ein Fahrgast einen solchen Wunsch äußert, bedarf es keiner Phantasie sich vorzustellen, was dann binnen Minuten auf dieser Linie los ist... 
Aber hier galt eben der Grundsatz (Sicherheits-) Interessen Einzelner gehen über die Interessen Aller.

Hat ein Zug innerhalb der Transitstrecken einen Schaden und kann der Zug nicht wieder zum Laufen gebracht werden, hat der Zugfahrer oder der Begleiter über die Streckenfernsprecher die Leitstelle zu informieren, sofern dies von den Wachmannschaften zugelassen wird. Über die Streckenfernsprecher erreicht das Personal die Dienststelle der BVG-Ost. Alles weitere wird dann schon wieder zu hochpolitschen Angelegenheiten...

1973 gab es eine Änderung: Ein U-Bahnhof wurde umbenannt! Es war das Walter-Ulbricht-Stadion das den Namen wechselte. Es hieß fortan "Stadion der Weltjugend". Walter Ulbricht, der die DDR viele Jahre geführt hat, hatte im Laufe seines politischen Wirkens eine sehr selbstherrliche Position eingenommen, was vielen politischen Gegnern im eigenen Lager missfiel. Ulbricht selbst bezeichnete sich bei Gelegenheit sogar als "unwiederholbar"! Besonders in der Zeit nach 1970 gab es zunehmend im Politbüro Bedenken, ob der Kurs Ulbrichts noch zeitgemäß war. Um Ulbricht legte sich ein Intrigennetz, ja sein politisches Ansehen wurde zunehmend demontiert. Dies führte schließlich dazu, dass Ulbricht "aus gesundheitlichen Gründen" seine Staatsämter niederlegte. Die Zeit Honeckers war gekommen. Am 1. August 1973 verstarb Ulbricht. Er verschwand aus dem offiziellen Bild der DDR. So war es nahe liegend, dass auch das Walter-Ulbricht-Stadion den Namen ändern musste. Diese tief greifende politische Entscheidung wirkte sich sogar im U-Bahnhof aus, einem U-Bahnhof, der seit 1961 keine ihm eigene Aufgabe mehr hatte. Die alten Bahnhofsschilder wurden dennoch entfernt und gegen neue ausgetauscht: "Stadion der Weltjugend" hieß der Bahnhof fortan.

Bis nach 1 Uhr nachts wurde der Zugverkehr durch die BVG aufrecht erhalten. Der letzte Zug, er fuhr gegen kurz nach eins, war der so genannte "Lumpensammler". Der Bahnhof Friedrichstraße war aufgrund seiner preiswerten Intershops natürlich auch bei Alkoholikern recht beliebt, gab es für sie hier doch ihren "Nordhäuser" unschlagbar preiswert. Kurz vor Betriebsschluss wurden diese Leute auf durch Grenzposten zum Bahnsteig der U-Bahn getrieben. Wenn der Zug eingelaufen war, ließ man die Leute im wahrsten Sinne des Wortes in den Zug fallen. Den Grenzposten nämlich war es strikt untersagt, die Züge der BVG zu betreten. Wenn nun die Besoffenen im Zug waren und sicher gestellt war, dass kein "Grepo" mit eingestiegen war: "Zurückbleiben!" - Türen zu und ab! Am Halleschen Tor in Westberlin war schon der Sicherheitsdienst der BVG parat und nahm diesen Zug in Empfang: Nun ging es darum, diese Leute aus dem Zug auf die Straße zu befördern...

Die Transitstrecken in Stadtplänen

In Stadtplänen, die im Westen vertrieben wurden, wurde ganz selbstverständlich der Ostsektor mit dargestellt. Hier ein Netzplan-Ausschnitt, der sich an den tatsächlichen Gegebenheiten orientiert: Die Linien 6 und 8 und die S-Bahn durchqueren den Osten nahezu ohne Zwischenstopp. Die davon unabhängigen Ostlinien sind auch unabhängig durch andere Farbwahlen dargestellt. Hier ein U- und S-Bahnplan in einem zeitgenössischen Falk-Plan von 1977. (Berlin, 38. Auflage)

 

Ganz anders dagegen ein in der DDR vertriebener Stadtplan von "Berlin, Hauptstadt der DDR". In ihm ist "Westberlin" nur als eine weiße Fläche dargestellt. In diesem U- und S-Bahnnetzplan scheint Berlin an der Friedrichstraße und am Thälmannplatz zu Ende zu sein. Ebenso wird auf die Darstellung der Transitstrecken der Westberliner U-Bahn völlig verzichtet. Im Hauptplan hingegen sind die Westberliner S-Bahnlinien dargestellt, was aufgrund der damaligen politischen Situation der Westberliner S-Bahn nahe liegend ist. Hier ein Stadtplan von Berlin, herausgegeben 1978 vom VEB Landkartenverlag der DDR.

 

Hier die Umgebung des Bahnhofs Friedrichstraße in einem vom Osten herausgegebenen Stadtplan Berlins. Auffallend die fehlende Darstellung der U-Bahn-Transitstrecke unter der Friedrichstraße und die S-Bahnhöfe auf den "Feldern und Wiesen" jenseits des Brandenburger Tores. 

Immerhin wird am Lehrter Bahnhof bei der S-Bahn darauf hingewiesen, dass dort ein Grenzübergang ist. In Wahrheit befand er sich natürlich im Bahnhof Friedrichstraße. Bei der Nord-Süd-S-Bahn wird unter der Stresemannstraße auf dieses Symbol verzichtet.

Hier: Buchplan Berlin Hauptstadt der DDR, herausgegeben 1980 vom VEB Tourist Verlag.

 

 

Hier ein "Orientierungsplan Demokratisches Berlin" von der Ost-Berliner Innenstadt. Herausgegeben vom VEB Landkartenverlag der DDR 1964. Und hier wirds schon wieder politisch:

Die Sternchen-Anmerkung zu "WESTBERLIN" in diesem Plan lautet: 

"*) Westberlin: Bereich des Besatzungsregimes der USA, Großbritanniens und Frankreichs."
Diese Anmerkungen verschwanden erst um 1972 mit Verabschiedung des Grundlagenvertrags.

Im Übrigen hatte die BVG-West in jenen Jahren auf die Darstellung der S-Bahn in ihren Liniennetzen verzichtet. Der U-Bahnhof heißt ja nach wie vor auch nur "Zoologischer Garten", nicht "Bahnhof Zoo" oder ähnlich. 

Die Flucht

Im März 1980 gab es sogar eine geglückte Flucht auf der Transitstrecke: Dies war aber nur möglich, weil der Flüchtende Mitarbeiter der BVB war und für die Reparatur von Signalen zuständig war. Er flüchtete nicht alleine sondern mit nahen Verwandten, sie waren zu viert. Wie war das möglich? Der BVB-Angehörige hatte die Erlaubnis, die Signalanlagen in den Transitstrecken und warten. Hierzu musste er sich nur bei den Grenzorganen anmelden. 

Die Flucht selber war abenteuerlich: Am 6. März fuhr er außerhalb des Dienstes mit seiner Familie mit der U-Bahn (Linie A) Richtung Thälmannplatz. Wird es die letzte U-Bahnfahrt bei seinem Arbeitgeber in Ost-Berlin sein? Einen Bahnhof hinter Alexanderplatz, an der Klosterstraße verließen sie den Zug. Es war gegen 18 Uhr an diesem Donnerstag. Sie warteten, bis der Zug Richtung Thälmannplatz abgefahren war und der Zugabfertiger in seinem Häuschen verschwunden war. Der Bahnhof war menschenleer. Sie schauten sich um und blitzschnell sprangen sie von der Bahnsteigkante in das Gleisbett und schlichen über die Schwellen zurück Richtung Alexanderplatz. Jetzt wird's dunkel. Achtet auf die offenen Stromschienen! Unmittelbar hinter dem Bahnhof zweigt rechts der Klostertunnel ab, der als Verbindungsgleis zwischen den Linien A und E dem internen Zugverkehr dient.


Die internen Tunnelanlagen unter Ost-Berlin: 
Unter der Littenstraße der "Waisentunnel" und zwischen Litten- und Klosterstraße neben der Kirche der "Klostertunnel"

Nach wenigen hundert Metern, der Tunnel vollzieht eine S-Kurve mündet dieser Tunnel in einen weiteren internen Tunnel, den "Waisentunnel". Hier nun wandte sich die Familie nach rechts und ging auf dem einzelnen Gleis entlang Richtung Jannowitzbrücke. Einige hundert Meter weiter, etwa unter dem Rolandufer, ist dieser Tunnel abgesperrt. Hier befindet sich ein Flutschott, welches immer verschlossen ist. Hinter diesem Schott befindet sich die Tunneleinfädelung in die Linie 8 der BVG-West. Doch das Schott ist und bleibt geschlossen. Oberhalb des Schotts gibt es einen Betriebsraum, von dem aus das Schott betätigt werden kann. Aber die Betätigung würde mit Sicherheit einen Alarm auslösen, deshalb durfte dieses Schott nicht bewegt werden. Dennoch gibt es in diesem Arbeitsraum eine Verbindungstür. Diese aber ist nur von der anderen Seite zu öffnen. Und so quartierte der BVBer seine Familie in diesem kleinen engen Raum ein. Er ging daraufhin zurück Richtung Klosterstraße. Kein Mensch hatte ihn bislang bemerkt. Still sprang er wieder auf den Bahnsteig an der Klosterstraße und verließ den Bahnhof. Er ging zu Fuß die wenigen Meter durch die Stralauer Straße vom U-Bahnhof Klosterstraße zum Bahnhof Jannowitzbrücke. Da er dort des öfteren zu tun hat, kannte er sich ja bestens aus und wusste, wie er in diesen der Öffentlichkeit unzugänglichen Bahnhof gelangen konnte. Bei den Trapos meldete er sich an mit der Bemerkung, dass er im Streckentunnel Richtung Heinrich-Heine-Straße ein Signal überprüfen müsste. Es gäbe da einen gemeldeten Schaden...

Die Trapos schöpften keinen Verdacht, da dies durchaus vorkommen konnte. Schnell war der BVBer im Tunnel verschwunden und ging die wenigen Meter Richtung Süden. Dort mündet von rechts der Waisentunnel aus Richtung Alexanderplatz und Klosterstraße kommend ein. Er schlich in diesen Tunnel und war nach wenigen Metern unter der Spree an dem geschlossenen Stahltor, nun aber von der anderen Seite. Schnell die kleine Stiege hoch zum Arbeitsraum, der durch die Stahltür verschlossen ist. Er bricht das Schloss auf, öffnet die Tür und findet seine Familie vor. Nun aber los! Alle Mann die Stiege wieder runter und dann unter der Spree durch. Bald waren sie wieder am Transittunnel in Höhe des Märkischen Ufers angekommen. Nun hieß es warten. Der BVGer hatte seine Diensttaschenlampe dabei, wie es Vorschrift ist. Diese Lampe ist der Schlüssel zu Westen. 

Ein Windzug! Eine U-Bahn naht... Er überlegt, ob er diesen Zug anhalten soll. Doch schon sieht er die beiden runden Scheinwerfer nahen. Er hebt die Taschenlampe, auf rot geblendet und macht Kreisbewegungen. Für jeden Zugfahrer bedeutet dies: "SOFORT HALTEN - GEFAHR" Abrupt hält der BVG-West-Zugfahrer seinen Dora-Zug an. "Was issn los?" fragt der Begleiter. "Könnt ihr uns mitnehmen?" "Klar! Reinkommen! Hinlegen!" Blitzschnell kletterten sie in den Führerstand zu viert. Tür zu und ab. Die Fahrgäste haben nichts gemerkt... Und auch die Trapos nicht! Langsam rumpelt der Zug über die alten Gleise zur "Heinrich-Heine-Straße", verlangsamt sein Tempo und schleicht durch den Bahnhof. Und wieder Tempo. Wenige Sekunden später kann man an der Wand den Strich erkennen. Ein deutlicher Schienenstoß und der Zug ist in West-Berlin. Im hell-erleuchteten Bahnhof Moritzplatz kommt der Zug zum stehen. Es ist halb Zehn, wir sind im Westen!

Devisenbringer U-Bahn
Die U-Bahn-Transitstrecken waren eine wertvolle Einnahmequelle der DDR. Die DDR war bestrebt, die zu erbringenden Ausgaben für den Unterhalt und Betrieb der Strecken vom Westen zurückerstattet zu bekommen. Hierzu beschloss das Präsidium des Ministerrates der DDR im Oktober 1962 die Weisung, dass der West-Berliner Senat oder eine entsprechende Dienststelle jährlich rückwirkend ab August 1961 eine Transitpauschale zu entrichten hat. Sie hatte eine Höhe von monatlich rund 181.000 DM. Das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten der DDR richtete dieses Anliegen an den Westen unter dem Hinweis, dass der Erhalt dieser Strecken viel Geld kostet und andererseits die Strecken "im Interesse der Westberliner Bevölkerung"  liegen und man mögliche Konsequenzen vermeiden wolle.

Zur Begleichung dieser Schuld war der West-Berliner Senat auch bereit. Im März 1963 trafen Vertreter des Verkehrsministeriums der DDR und Vertreter des Senats von Berlin (West) und der BVG (West) in Ostberlin zusammen, um Details zu klären. Unstimmigkeiten tauchten bei diesen "in aufgeschlossener Atmosphäre"  geführten Gesprächen darüber auf, dass die DDR die Zahlungen gern über ein Auslands-Devisenkonto bei der Deutschen Notenbank führen wollte. Der Westsenat war daran interessiert, dass diese Verhandlungen keinen grundsätzlichen Charakter auf staatlicher Ebene haben, sondern auf städtischer oder betrieblicher Ebene verlaufen sollten und somit ein Finanzaustausch zwischen der BVG-West und der BVG-Ost direkt stattfinden sollte, schließlich wären ein Geldfluss über ein Auslandskonto der DDR die faktische Anerkennung der DDR durch den Westen gewesen. Letztlich einigte man sich darauf, dass die BVG-West das Geld ab 1. August 1963 rückwirkend ab August 1961 direkt an die BVG-Ost überweist.

Viele Jahre blieben die Beträge gleich, doch ab 1971 wurde seitens des Ostens der Betrag immer öfter erhöht. Hier die einzelnen Beträge:

Zeitraum Monatliche Beträge
01.08.1963 - 31.12.1970 181.132 DM
01.01.1971 - 31.12.1975 248.766 DM
01.01.1976 - 31.12.1978 320.908 DM
01.01.1979 - 31.12.1980 352.998 DM
01.01.1981 - 31.12.1982 388.298 DM
01.01.1983 - 31.03.1984 438.777 DM
01.04.1984 - 31.03.1985 456.328 DM
01.04.1985 - 31.03.1986 470.930 DM
01.04.1986 - 31.03.1987 486.942 DM
01.04.1987 - 31.03.1988 490.351 DM
01.04.1988 - 31.03.1989 491.822 DM
01.04.1989 - 30.06.1990 495.756 DM

 

Die Transitstrecken nach November 1989

Am 9. November 1989 wurde die Berliner Mauer geöffnet. Der Zustrom von DDR-Bürgern nach Westberlin war gerade am Bahnhof Friedrichstraße unbeschreiblich. Dies hatte natürlich Folgen für die U6: Der Bahnsteig war zeitweise derart überfüllt, dass der Zugang zum Bahnsteig aus Sicherheitsgründen gesperrt werden musste. Die Lage war damals folgende: Alle aus Richtung Osten kommenden S-Bahnlinien endeten an der Friedrichstraße. Um in Richtung West-Berlin zu gelangen, mussten die Besucher auf die West-S-Bahn oder die U6 umsteigen:

S1: Frohnau - Friedrichstraße - Anhalter Bahnhof - Wannsee
S3: Friedrichstraße - Zoo - Wannsee
U6: Tegel - Friedrichstraße - Alt-Mariendorf

Der Bahnhof Friedrichstraße hatte entsprechend ein enormen Umsteigeverkehr zu verkraften, noch dazu mit den damals noch vorhandenen komplizierten und verwinkelten Gängeanlagen aus Zeiten der geschlossenen Grenze.
Dies waren natürlich unhaltbare Zustände. Dies sahen alle entscheidungsberechtigten Instanzen sowohl in Berlin (West) als auch in der DDR ein.
Dagegen standen aber technische und bauliche Gründe, die eine Herstellung der Betriebsverhältnisse in den Zustand von vor 1961 kurzfristig unmöglich machten.

So war es üblich, dass in den nächtlichen Betriebspausen der Fahrstrom auf den Transitstrecken unterbrochen wurde.
Trotz der unbeschreiblichen Besuchermassen, war es der BVG-West nicht möglich, den Zugverkehr auf der U6 durch den Osten aufrecht zu erhalten. In der Nacht vom 9. auf den 10. November wurde der Fahrstrom abgeschaltet: Die BVG richtete auf drei Linien einen 10-Minutentakt ein: Auf der U9 (Osloer Straße - Rathaus Steglitz), auf der U6 von Kochstraße nach Alt-Mariendorf und auf der U8 von Voltastraße nach Paracelsusbad. Erst in der Folgenacht wurde auf der U6 ein durchgehender Nachtbetrieb geboten.

Umgehend fanden sich Mitarbeiter der BVG-West und der BVB-Ost zusammen, um zu beratschlagen, was unternommen werden könnte, um den überlasteten Bahnhof Friedrichstraße zu entlasten.

Schnell zeigte sich, dass es sinnvoll wäre, U-Bahnhöfe zu eröffnen, die eine Umsteigemöglichkeit zu anderen Ost-S-Bahnlinien boten. Hierzu kamen aber nur die U8-Bahnhöfe Jannowitzbrücke und Alexanderplatz in betracht. Schon am 10. November (Die Grenze war erst wenige Stunden offen) begannen Mitarbeiter beider Betriebsteile, den Bahnhof Jannowitzbrücke passierbar zu machen. Als erstes musste die Bahnsteigbeleuchtung einigermaßen instand gesetzt werden, außerdem wurde der Bahnsteig und der südliche Zugangsbereich gereinigt. An den erblindeten Zugzielanzeigen auf dem Bahnsteig wurden Pappschilder mit den Aufschriften "Nach Paracelsus-Bad" und "Nach Leinestraße" befestigt. 

Am Mittag des 11. November konnte der erste Fahrgastzug Richtung Paracelsusbad von den beiden Berliner Bürgermeistern (Walter Momper und Erhard Kraack) abgefertigt werden.

Dies war natürlich nur eine unbefriedigende Gesamtlösung aber ein erster unbürokratischer Schritt zur Normalisierung der Verkehrsverhältnisse.

Hierbei darf nicht vergessen werden, dass offiziell nach wie vor noch eine Personen- und Zollkontrolle seitens der DDR stattfand. Es war nämlich nur den DDR-Bürgern erlaubt nach West-Berlin zu fahren. Umgekehrt bestand für West-Berliner und Bundesbürger noch eine Visumpflicht (bis 22.Dez.). Um die Kontrollen durchzuführen richtete das Grenzregime eine "Grenzübergangsstelle" ein. Diese Bestand aus einigen Tischen, die sich im Zugangsbereich zum Bahnsteig der U-Bahn befanden. Aufgrund des enormen Besucherstroms freilich fand nur eine flüchtige Sichtkontrolle der Ausweise statt, die so gar nichts mit den Kontrollgewohnheiten früherer Zeiten zu tun hatte. 

Schnell zeigte sich, dass der eine Zugang am Bahnhof Jannowitzbrücke für die Besuchermassen nicht ausreichte. So war sehr schnell klar, dass auch der nördliche Zugang zur Schicklerstraße wieder geöffnet werden musste. Hierzu ist anzumerken, dass dieser Vorhallen- und Tunnelbereich in den ersten Jahren nach dem Mauerbau noch als Fußgängertunnel unter der Alexanderstraße genutzt werden konnte. Später wurden Teile der Eingänge beseitigt, die nun wiederhergestellt werden mussten.

Nach der Öffnung des Nordzugangs wurde ein Fahrgastfluss auf diesem Bahnhof eingerichtet: Die "Einreise" in den Ostteil erfolgte über den S-Bahn-seitigen Zugang, Die "Ausreise" dagegen erfolgte ausschließlich über den neu freigegebenen Nordzugang, wobei die von der S-Bahn kommenden Fahrgäste einen Fußmarsch von etwa 200 Metern zu absolvieren hatten. Die Nutzer zeigten aber Verständnis, denn was sind schon 200 Meter Fußweg gegen 65 Jahre Wartezeit...

Die Öffnung des U-Bahnhofs Alexanderplatz für den Zugverkehr der U8 hingegen verbot sich, da die BVB auf dem Bahnsteig eine "Bahnmeisterei" errichtet und entsprechend bauliche Veränderungen vorgenommen hat. Diese Bauten konnten unmöglich in wenigen Tagen beseitigt werden.
Aus diesem Grunde beschloss man als nächstes den U-Bahnhof Rosenthaler Platz zu reaktivieren. Er lag verkehrsgünstig zu diversen Straßenbahnlinien Richtung Pankow, Marzahn und Hohenschönhausen.

Am 18. Dezember war es so weit. Der U-Bahnhof Rosenthaler Platz wurde für den Fahrgastverkehr frei gegeben. Auch hier wurden in der Vorhalle des Bahnhofs Tische für die Grenzorgane aufgestellt, doch Kontrollen fanden praktisch nicht mehr statt.

Bei diesen beiden Bahnhöfen belies man es zunächst, während im übrigen Stadtgebiet laufend weitere Straßenübergänge zwischen West und Ost geschaffen wurden: Am 22. Dezember zum Beispiel wurde das Brandenburger Tor für Fußgänger wieder frei gegeben.

Am 18. April wurde der im Osten liegende U-Bahnhof Bernauer Straße wiedereröffnet. Dieser Bahnhof aber wurde zollrechtlich dem Westteil der Stadt zugeschlagen. Dieser Bahnhof nämlich befand sich unmittelbar an der Sektorengrenze, wobei der nördliche zur Bernauer Straße führende Zugang fast an der Grenzlinie lag. Daher erübrigten sich an diesem Bahnhof die Kontrolltische der Grenzorgane.

In jenen Tagen beschlossen die Regierungen der beiden deutschen Staaten die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion. Mit ihr wäre das getrennte Zollwesen hinfällig und somit jede Art der Personenkontrolle auch auf offiziellem Niveau überflüssig. Als Stichtag der Union wurde Sonntag, der 1. Juli 1990 festgelegt.

Für die BVG und BVB Grund genug, alle anderen noch geschossenen U-Bahnhöfe der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Insbesondere auf der U6 waren noch fast alle Bahnhöfe geschlossen. An einigen Bahnhöfen waren die Grenzeinbauten zu beseitigen, am U8-Bahnhof Alexanderplatz die Bahnmeisterei. Außerdem mussten die U6-Bahnhöfe umfassend renoviert werden, da diese Bahnhöfe keine Wandfliesen sondern nur einfache Putzwände hatten. Diese waren im Laufe der vergangenen Jahrzehnte recht unansehnlich geworden.

Fristgerecht mit Betriebsaufnahme am ersten Tag der Währungsunion konnten die Bahnhöfe der U6 wieder benutzt werden. Alle wiedereröffneten Bahnhöfe erstrahlten frisch renoviert. Allerdings blieben einige Zugänge in der ersten Zeit noch geschlossen, so auch der wieder wichtige "Mäusetunnel" im Bahnhof Stadtmitte, außerdem der einst stärker gesicherte weil grenznähere Südzugang. 

Gegen 11 Uhr am 1. Juli wurden auch die noch geschlossenen Bahnhöfe der U8 wieder frei gegeben. Allerdings blieben auch hier einige Zugänge noch geschlossen: Der Bahnhof Heinrich-Heine-Straße hatte zunächst nur einen einzigen Zugang am nördlichen Ende, da alle anderen Zugänge regelrecht beseitigt wurden. Ebenso verhielt es sich im U-Bhf. Weinmeisterstraße, der zunächst ebenfalls nur einen Zugang am Nordende aufzuweisen hatte.

Die erwähnte Bahnmeisterei auf dem Bahnsteig des Bahnhofs Alexanderplatz konnte ebenso noch nicht restlos beseitigt werden, daher ist der nördliche in die Dircksenstaße mündende Ausgang ebenfalls noch geschlossen.

Bereits im September 1990 wurden am U-Bahnhof Französische Straße die alten Eingangsportale. Es sind originalgetreue Nachbauten der Entwürfe von 1923, die Alfred Grenander für diese Linie exklusiv entwarf. Ebenso wurde am Bahnhof Friedrichstraße der seit 1961 geschlossene Süd-Zugang zur Georgenstraße wieder freigegeben. Am 30. November 1990 wurde der "Mäusetunnel" wieder freigegeben. Er verbindet die U2 mit der U6 im Bahnhof Stadtmitte. Erwartungsgemäß ist der Bahnhof Stadtmitte wieder einer der wichtigsten Umsteigebahnhöfe.

Die Transitstrecken sind wieder zu völlig normalen U-Bahnstrecken geworden, der Alltag ist längst wieder eingekehrt. Noch Monate aber war der alte Muff in den Bahnhöfen zu riechen, da die meisten Notausgänge und Bahnhöfe derart verrammelt waren, dass kaum ein ausreichender Luftaustausch gegeben war. Auch dies normalisierte sich im Laufe der Zeit.

Im Laufe der Jahrzehnte während der Teilung hat die BVG-West die nur 80 Meter langen Bahnsteige der Nord-Süd-Bahn (U6) auf 110 Meter verlängert. Somit war es zumindest auf den Westberliner Streckenabschnitten der U6 möglich, 6-Wagenzüge einzusetzen (von Hallesches Tor nach Mariendorf und von Wedding nach Tegel). Auf dem Transitabschnitt war dies nicht möglich, da unter anderem der Bahnhof Friedrichstraße noch seine originale Bahnsteiglänge von 80 Metern besaß. Daher beschloss die BVG Anfang der 90er Jahre, alle "kurzen" Bahnhöfe im Osten ebenfalls auf 110 Meter Länge auszubauen. Mit diesen Bauarbeiten wurde 1992 begonnen. Im September 1996 war der Umbau an allen Bahnhöfen abgeschlossen. Bei dieser Gelegenheit wurden vor allem die ehemaligen Transitbahnhöfe umfassend instandgesetzt und mit einer neuen Beleuchtungsanlage versehen. Auch der finstere "Mäusetunnel" im Bahnhof Stadtmitte wurde umfassend renoviert und hat seine bedrückende Atmosphäre verloren. Daher sind von den alten Grenzsicherungen keine Spuren mehr auszumachen. Heute präsentieren sich diese Bahnhöfe sehr hell und freundlich, von dem alten finsteren Katakomben-Dasein dieser Strecke blieb nichts übrig.

Planungen

Es gab auf beiden Seiten Gedankengänge und Planspiele, wie man diesen absurden Zustand des Transitverkehrs beenden oder ändern könnte.
Selbstverständlich muss hier auch die Frage gestattet sein, warum die DDR diese Transitstrecken nicht von der BVG-Ost für den Ostberlin-internen U-Bahnverkehr selber nutzte. Um es vorweg zu nehmen: Ernsthaft ist dies nie angedacht worden. Auch trotz des Baubeginns des so genannten "Mohrentunnels"* nicht. Für die DDR waren die Transitstrecken stets willkommene Devisen-Einnahmequellen. Ab 1962 wurden rückwirkend Millionenbeträge bis Ende 1989 vom (West-) Berliner Senat an die DDR geleistet. Aus diesem Grunde bestand für die DDR auch keine Möglichkeit, die Strecken selbst zu nutzen. Aus all diesen Gründen betrieb die BVG-Ost bzw. die BVB parallel eigene Buslinien.

(* Der Mohrentunnel entstand ab etwa 1988, wurde aber nie vollendet, und nach der Wende wieder beseitigt. Er sollte eine Gleisverbindung zwischen der Linie U2 und U6 beim Bahnhof Stadtmitte bieten. Er war als eine Bauvorleistung unter den Neubauprojekten der Friedrichstraße gedacht, ohne eine konkrete Aufgabe zu haben. Sinn dieses Tunnels wäre nur, dass man die in Ostberlin liegenden Teile der U6 als Ostberliner Kleinprofillinie betreiben könnte und durch diesen Tunnel die Fahrzeuge austauschen könnte.

Dennoch wurden seitens des West-Berliner Senats Pläne angedacht, den Transitverkehr zu beenden und wirksam zu ersetzen. Wie schon oben erwähnt hat die BVG-West bereits in den 50er Jahren Verbindungsweichen eingebaut, um ein unkompliziertes Wenden der Züge zu ermöglichen. 
Langfristig war angedacht, eine 10. U-Bahnlinie von Steglitz bis nach Weißensee zu bauen. Dies entsprach zumindest den 200-Kilometerplanungen des Westsenats. Da diese Pläne nicht durchführbar waren, da die Strecke ab Potsdamer Platz im Ostsektor verlaufen wäre, wurde als Endpunkt der U-Bahnhof "Nationalgalerie" angedacht. Dies war natürlich in der geteilten Stadt wenig sinnvoll. So gab es Pläne, diese Linie alternativ auf West-Berliner Gebiet zu verlängern: Eine Variante war die Streckenführung ab U-Bhf. Kurfürstenstraße ostwärts Richtung Kochstraße zu führen und letztlich (der alten NS-S-Bahn-Planung entsprechend) Richtung Moritzplatz zu führen. Die andere hier interessantere Planung war, die Linie 10 ab Nationalgalerie Richtung Norden weiter zu führen, und zwar unter der Entlastungsstraße entlang am Brandenburger Tor/Reichstag zum Lehrter Stadtbahnhof, weiter entlang der Lehrter Straße bis in Höhe der Fennstraße (Schering). Zwar endet diese Planung hier, aber es wäre unsinnig, diese Strecke nicht bis an die Linie 6 heranzuführen. So hätte ein Verknüpfungsbahnhof der Bahnhof Wedding sein können. Möglich wäre hierbei durchaus eine Verbindung der nördlichen Linie 6 mit der Linie 10 zu einer durchgehenden Linie von Tegel bis nach Steglitz (-Lichterfelde) Die südliche Linie 6 hätte demzufolge am Bahnhof Kochstraße ihren dauerhaften Endpunkt gefunden. 

Absurder dagegen sind die Planspiele des Senats, unter der bestehenden Linie 6 eine neue Tief-U-Bahn zu bauen, die ohne Zwischenhalte von Kochstraße nach Reinickendorfer Straße gefahren wäre.

Schwieriger dagegen war ein Ersatz für die Linie 8, die weit östlicher durch den Ostsektor fuhr. Hier war ein Streckenneubau, auch mit Hinblick auf die wesentlich geringere Fahrgastauslastung auf dieser Linie nie vorgesehen. Hätte die DDR diese Strecke geschlossen, hätte es auch auf lange Sicht für die BVG bedeutet, dass die Linie 8 von Leinestraße kommend am Moritzplatz geendet hätte. Ein Pendelverkehr zwischen Voltastraße und Gesundbrunnen dagegen ist auszuschließen. Erst ab 1977, als die Linie 8 nach Osloer Straße verlängert wurde, hätte die Möglichkeit bestanden, einen (wenn auch wenig sinnvollen) Pendelverkehr zur Voltastraße zu betreiben.

Wesentlich konkretere Pläne dagegen gab es mit dem Bahnhof Friedrichstraße: Seit 1985 war der umfassende Wiederaufbau der Friedrichstraße "als Boulevard mit Weltniveau" vorgesehen. So sollte südlich des Bahnhofs an der Georgenstraße ein ein großes Varieté-Theater (das Wintergarten-Varieté) entstehen. In diesem Theater war die Einrichtung der Grenzübergangsstellen vorgesehen, die unterirdisch mit dem benachbarten Bahnhofsgebäude verbunden werden sollten. In dieser Folge sollte der Tränenpalast abgerissen werden und das Gelände zu einer Grünanlage umgestaltet werden. Es stand allerdings noch nicht genau fest, wann dieser Bau entstehen sollte. Anzunehmen aber ist, dass der Bau heute existieren würde, wenn es die DDR noch gäbe. Diese Planungen beweisen, dass die DDR an ihrem Grenzregime noch lange Zeit festhalten wollte, so wie es Erich Honecker im Januar 1989 bekräftigte: 

"Die Mauer wird in fünfzig und auch in hundert Jahren noch bestehen bleiben, wenn die dazu vorhandenen Gründe noch nicht beseitigt sind. Das ist schon erforderlich, um unsere Republik vor Räubern zu schützen, ganz zu schweigen von Denen, die gern bereit sind, Stabilität und Frieden in Europa zu stören. Die Sicherung der Grenze ist das souveräne Recht eines jeden Staates und so auch unserer Deutschen Demokratischen Republik."


Lesetipp:
Zu den S-Bahn-Transitstrecken empfehle ich wärmstens folgende Bücher:

Züge durch Mauer und Stacheldraht
Bernd Kuhlmann, Verkehrsgeschichtliche Blätter Extra, Verlag GVE 1998

Nord-Süd-Bahn - vom Geistertunnel zur City-S-Bahn
Signal-Sonderausgabe, Interessengemeinschaft Eisenbahn und Nahverkehr Berlin, IGEB
GVE Berlin 1992

Geisterbahnhöfe - Westlinien unter Ostberlin
Heinz Knobloch, Ch. Links Verlag, Berlin 1992

...leider wird in diesen Büchern kaum auf die U-Bahn-Transitstrecken eingegangen.


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